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7.07.2005

Lust am Fluss

...der geheimnisvolle Romanerzähler aus Traventhal

„Merkwürdig, dass Curtin gar nicht schrie, als er ihn niederschoss, dass er nicht stöhnte, nicht wimmerte, nicht röchelte, nicht seufzte. Nichts. Nichts. Er brach zusammen wie ein gefällter Baum. Schlug lang hin und war tot. Nur das Blut quoll und presste sich dick und zähe durch das Hemd. Das war die einzige Bewegung.“ "Der Schatz der Sierra Madre" - ein Filmklassiker, in dem Humphrey Bogart als Looser Dobbs in der Hitze des mexikanischen Hochlands sich selbst verliert und über Leichen geht, auf der Suche nach Gold und Glück.

Was hat der Hollywoodstreifen von 1947 mit unserem Flüsschen Trave zu tun? Eine Menge, denn der Autor des gleichnamigen Romanbestsellers ist bekanntlich B. Traven (siehe Bild). Und dessen Wurzeln – so lässt schon der Name vermuten – liegen an der Trave, genauer in Traventhal, vier Kilometer von Bad Segeberg entfernt.

So wollen es jedenfalls führende Vertreter der „Travenologie“, eine seit Jahrzehnten von besessenen Traven-Fans praktizierte „Wissenschaft“ um den geheimnisvollen Schriftsteller, der zwischen 1925 bis zu seinem Todesjahr 1969 in seiner Wahlheimat Mexiko einen Weltbestseller nach dem anderen schrieb. Viele wurden verfilmt, auch in Deutschland, wie 1959 "Das Totenschiff" mit Horst Buchholz, Mario Adorf und Elke Sommer.

Spätestens seit der unglückseligen Lady Di wissen wir, dass derjenige, der sich zu verbergen sucht, zu den beliebtesten Jagdopfern der Journaille zählt. Dieser Effekt wirkt bei B. Traven auch noch fast 40 Jahre nach seinem Tod. Der Mann, der unter diesem Pseudonym so erfolgreich Abenteuerromane schrieb, hat Zeit seines Lebens seine wahre Identität verborgen und sich beliebig anderer Namen bedient. Hal Croves zum Beispiel stand an der Tür seines Hauses in Mexico und sollte auf einen Immigranten schwedischer Herkunft hindeuten. Mit Traven Torsvan verlieh er sich norwegische Wurzeln und den Geburtsort San Fransisco.

Und dann gab es Ret Marut, den Herausgeber und Autoren des anarchistisch-pazifistischen Blatts „Der Ziegelbrenner“, das nach dem 1. Weltkrieg in München revolutionäre Ideen verbreitete. Die gemeinsame Identität von Marut und dem Romanschriftsteller Traven stellte Rolf Recknagel 1966 fest. Travens Witwe Rosa Elena Lujan bestätigte nach dem Tod ihres Mannes drei Jahre später die Entdeckung des Biografen.

Marut wurde 1923 als einer der führenden Köpfen der Münchner Räterepublik verhaftet und zum Tode verurteilt, konnte aber entkommen. Mit detektivischer Kleinarbeit erforschten „Travenologen“ seinen weiteren Weg, bis heute dringen immer wieder neue unbekannte Details an das Tageslicht. Danach kam der zu der Zeit etwa 40jährige Mann über Umwege und als Kohlenschipper auf einem Frachter nach Tampico, Mexiko. Viele Hilfsjobs, oft genug an der untersten Existenzgrenze, verschafftem ihm nach eigenen Aussagen die Grundlage für seine Romane, ließen ihn abenteuerliche Charaktere kennen lernen, den täglichen Kampf ums Überleben und um ein Stückchen Glück. So wurde Traven, wie Marut sich nun nannte, der „Karl May für Linke“ und schrieb Romane, in denen er auf der Seite der Armen und Entrechteten stand.

1925 erschien "Das Totenschiff", sein erster Welterfolg, bald folgten weitere, wie "Der Schatz der Sierra Madre", "Land des Frühlings" oder "Rebellion der Gehenkten".

Begeisterte Leser, Literaten und Journalisten begannen sich zu fragen, wer sich hinter „B. Traven“ verbarg, darunter seriöse Biografen wie Recknagel oder in den 1980er Jahren Karl Guthge. Oder windige Reporter wie Gerd Heidemann, der später die Hitler-Tagebücher für den „Stern“ erfand, und der offenbar auch in Sachen B. Traven nicht davor zurückscheute, falsche Spuren zu legen, um an Sensationen zu kommen.

Der Autor selbst hatte jede Spur verwischt und machte es unmöglich, etwa über Melderegister seinen Weg zu verfolgen. Und doch scheint das Rätsel um seine Herkunft zumindest zum Teil gelöst.

Vor allem Sprachforscher bestätigten anhand von Tonbandaufzeichnungen der Stimme Travens und der Dialekt-Wendungen in seinen Schriften, dass der Autor in Norddeutschland aufgewachsen sein muss, genauer zwischen Hamburg und Lübeck. „Traven“ würde tatsächlich auf die Trave hindeuten, an der er seine ersten Jahre verbracht haben könnte. Biograf Karl Guthge fand zudem weitere Zusammenhänge: Eine Verbindung zu der Familie Waldstern, die in Marutendorf bei Kiel ein großes Pferdegut besaß und Beziehungen hatte zu einem anderen Pferdegut, nämlich dem Landgestüt in Traventhal.

Der mehr als tausend Dokumente umfassende Nachlass von Traven-Marut-Croves-Torsvan könnte weitere Hinweise enthalten. Die Nachkommen des Schriftstellers aber lassen nur Bruchteile davon an die Öffentlichkeit.

Warum der große Unbekannte seine Identität so konsequent verbarg, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Vielleicht war es nach der Erfahrung mit dem Todesurteil in Deutschland die Angst vor neuen Verfolgungen. Vielleicht nutzte er einfach schon früh den Werbeeffekt, den eine verschleierte Identität für einen Promi hat, vielleicht sollte die Person hinter ihrem Werk zurücktreten, wie Traven forderte. Vielleicht aber konnte er auch nichts erzählen, weil er selbst seine Herkunft nicht kannte.

Und so gehört die Geschichte von B. Traven zu den Geheimnissen des Flüsschens Trave, von denen es noch so viel zu berichten gibt....


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